die Böllertruppe
Böller hoch - Gebt Feuer!
In der Privilegierten Schützengesellschaft Glauchau 1551 e.V. wird in Lederkniebundhose, weißem Hemd, schwarzem Hut mit Adlerflaum, roter Weste und mit Handböllern aus dem Berchtesgadener Land geböllert.
Ersten visuellen Kontakt mit Handböllern hatte ich bei Besuchen nach der Wende in den Bergen im Süden Deutschlands. Davon inspiriert kaufte ich mir auf der Nürnberger Waffenbörse 1994 meinen ersten Handböller aus italienischer Fertigung. Als Alleinunterhalter in unserer grünen Vereinskluft tingelte ich nun von Fest zu Fest und Aufmarsch zu Aufmarsch. 1999 konnte ich noch drei weitere Vereinsmitglieder fürs Handböllern überzeugen. Ergänzt wurden wir von einer kleinen Vorderladerkanone und einem Standböller. Mit roter Weste und grünen Stretchkniebundhosen bei den Handböllerschützen ging es dann auf Tour. Wir böllerten zu runden Geburtstagen, Straßeneinweihungen, Jubiläen und sogar einmal bei der Bundeswehr. Wir besuchten Böllerschützentreffen z.B. in Lichtenstein, Waldenburg, Triptis, Neustadt an der Orla, Crispendorf, um nur einige zu nennen.
Beim Treffen der Sächsischen Schützenvereine in Zschopau im August 2015 kam mir der Gedanke – die Truppe braucht eine Auffrischung. Zuerst überzeugte ich noch ein weibliches Vereinsmitglied in der Handböllertruppe aktiv mit zu wirken. Dazu kam noch eine Gastböllerschützin.
Somit waren wir nunmehr 7 Leut, die sich ALLE mit Kniebundlederhose und neuer roter Weste und den für uns speziellen Utensilien ausrüsteten. Man kann natürlich über diese Tracht in unserer Region geteilter Meinung sein. Aber gerade diese Tracht ist nicht an eine bestimmte Gegend gebunden und wird sogar von Böllergruppen auf anderen Kontinenten getragen. Wenn man schon einen Böller aus dem Berchtesgadener Land hat – so gehört diese Tracht einfach dazu. Alles andere wäre ja Stilbruch.
In Sachsen wird mehr mit Kanonen geböllert als mit Handböllern. Außerdem ist es Schade, dass es einige Böllertreffen in Sachsen und Thüringen so nicht mehr gibt.
Um aber nicht den Anschluss ans Böllern zu verlieren sind wir seit Dezember 2015 Mitglied im Arbeitskreis Nordbayrischer Böllerschützen. Dieser Arbeitskreis sieht sich als Verband aller Böllerschützen im gesamten Bundesgebiet.
Gemäß der erzgebirgischen Tradition, haben wir einen 36 cm hohen Räuchermann „Glauchauer Böllerschütze“ in der Vergangenheit herstellen lassen. Bei ihm kommt der Rauch des Räucherkerzchens aus dem gehobenen Böller. Leider hat der Drechsler aus Altersgründen seine Werkstatt aufgegeben.
Frank Reuter
Es wird erwähnt, dass vor dem 11. Jahrhundert in China das Schwarzpulver erfunden wurde. Damals wurde es nur für Signale, Feuerwerk und Sprengungen eingesetzt, so bemerkt man. Genaueres weiß man nicht.
Schwarzpulver besteht aus einer Mischung von 75 % Kaliumnitrat, auch Salpeter genannt, 15 % Holzkohle, und 10 % Schwefel, später Schießpulver dann auch Treibladungspulver genannt.Erst im 13. Jahrhundert wurden die ersten Vorderladerkanonen zum Einsatz gebracht.
Dieses Schießpulver entwickelte sich bis ins 19. Jahrhundert auf der Schwarzpulverbasis kontinuierlich weiter. Danach wurden für die Treibladungen von Munition andere rauchschwache Nitrozellulosepulver angewendet, die bis heute Verwendung finden. Das Schwarzpulver wurde dann hauptsächlich nur noch in der Pyrotechnik – insbesondere bei der Feuerwerkherstellung bzw. für das Vorderladerschießen genutzt.
Zum Vorderladerschießen, wozu auch in gewisser Weise die Böllerkanonen und Böllergeräte, sprich Hand- und Schaftböller und nicht zu vergessen die Standböller gehören.
Seit dem 14.Jahrhundert will man mit lautem Knall Signale versenden, böse Geister, zum Beispiel nicht nur in den Raunächten vertreiben, sondern auch Freude zum Ausdruck bringen.
Gegenwertig erfährt das Böllerschießen, insbesondere mit Hand- und Schaftböller im bayrischen Raum eine Renaissance. In Österreich treffen wir häufiger Prangerschützen, die diese Tradition fortführen. Allerdings sind die gesetzlichen Regeln bei unseren Nachbarn nicht so extrem wie in den größten Teilen Deutschlands, wo jeder Böllerschütze eine Erlaubnis nach §27 SprengG erwerben und sein Böllergeräte alle 5 Jahre neu beschießen lassen muss. Der österreichische Prangerstutzen wird hingegen einmal im Jahr von einem Sachkundigen im Verein auf Sicherheit kontrolliert (Stutzenkontrolle)
Böllergeräte werden ausschließlich nur zur Knallerzeugung eingesetzt und demzufolge werden keine Geschosse mittels heißer Gase durch den Lauf getrieben – entsprechend dieser Definition fallen die Böller nicht unter das deutsche Waffengesetz sondern unter das Sprengstoffgesetz.
Bei uns in Sachsen gibt es weniger Hand- und Schaftböller sondern mehr Kanonen, die nach historischen Vorbildern aufwendig gefertigt werden. Selbst die dazu gehörenden Kanoniere sind mit Replikatuniformen ausgerüstet. Man trifft sich u.a. zu sogenannten Kanonentreffen, wie zum Beispiel auf der Festung Königstein beim „Kanonendonner über dem Elbtal“, wo sie dann ein imposantes Bild reflektieren. Man benötigt aber zur Realisierung solcher Veranstaltungen immer eine gewisse Anzahl an Kanonieren zur Bewegung und Bedienung solch einer Kanone und der logistische Aufwand beim Transport ist auch nicht zu unterschätzen.
Deshalb haben wir uns für die Variante der Hand- und Schaftböller entschieden. Unsere Böller sind von der Firma Stangassinger hergestellt, die nicht mehr existent ist. Sie erzeugen einen Knall, der zum Teil dem Kanonenknall in Nichts nachsteht. Ein weiterer bekannter Hersteller dieser sehr guten Hand- und Schaftböllerunikate ist die Firma Pfnür, die ebenfalls im Berchtesgardener Raum ansässig ist. Mit Schaftverschneidungen und Gravuren veredelt ein mancher Schütze seinen Böller, so wie es auch bei Jagdwaffen Anwendung findet. Es sind handwerklich gefertigte kleine Kunstwerke.
Das Abgeben von Schüssen wurde/wird schon von jeher nur für besondere Anlässe angewendet. So gibt es bei der deutschen sowie auch bei der britischen Marine und dem Heer Salutordnungen, die die Anzahl der Schüsse dem Anlass entsprechend definieren.
Dies gilt auch für das „Private Böllerschießen“ nach dem nur bei besonderen Anlässen geböllert werden sollte. Zum Beispiel tun wir unsere Böller ab, bei Schützengeburtstagen (ab den 60igsten), Einweihungen, Volks- und Schützenfesten, Ehrung weltlicher Würdenträger und vor allem bei Böllerschützentreffen, um nur einige aufzuzählen. Das Vertreiben von bösen Geistern ist also nicht mehr so unser Ding.
In Bayern, Tirol und Österreich werden Böllergeräte bei vielen kirchlichen Festen zum Einsatz gebracht. Eine Fronleichnamsprozession ohne das Abtun von Böller, egal ob Kanone oder Handböller, ist in bestimmten Regionen nur schwer vorstellbar. So ist aus einem ehemaligen heidnischen, ein christlicher Brauch geworden.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass auch schon in den vergangenen Zeiten das Krachmachen nicht immer auf Gegenliebe gestoßen ist. Es gab schon in vergangenen Jahrhunderten in manchen Gegenden strenge Verbote zum Abgeben von Schüssen zum Erzeugung eines Knalls bzw. zur Eindämmung von Gefährdungen beim Umgang mit Schwarzpulver.
Auch heute ist das Böllern von Region zu Region mehr- oder minderstark reglementiert. Bei mancher Gemeinde ist schon eine entsprechende Information ausreichend und bei manchen Städten bekommt man, nach einem erforderlichen Antrag, Auflagen oder auch ein Verbot erteilt.
Eine besondere Gruppe von Böllerschützen sind die Weihnachtsschützen von Berchtesgaden und dem näheren Umland. Sie schießen ab dem 17.12. eines jeden Jahres bis 24.12. täglich jeweils von 15:00 bis 15:15 Uhr auf ihren Standplätzen. Mit diesem sogenannten Christkindl Schießen stimmt man sich auf die Weihnachtszeit intensiv ein. Besonders am Heiligen Abend, Silvester und an Neujahr wird mit den Böllern tagsüber und in die Nacht hinein geschossen. Diese Weihnachtschützen sind die Einzigen in Deutschland, die mit Weichholz verdämmen dürfen, da üblicher Weise nur Kork erlaubt ist. Es benötigen auch nicht alle beteiligten Schützen eine Pulvererlaubnis, wenn sie auf ihren Standplätzen ihre Böller abtun.
Unsere
Böllertruppe
2023
Frank
Gründer und Böllerkommandant
Stangassinger Handböllere 18 mm
Stangassinger Schaftböller 20 mm
Rita
Gastböllerschützin
Stangassinger Handböller 14 mm
Simona
Stangassinger Handböller 14 mm
Bernd
Stangassinger Handböller 14 mm
Erik
Stangassinger Handböller 18 mm
Lothar
Stangassinger Handböller 18 mm
Ralf-Thomas
Stangassinger Handböller 14 mm